Alpha Player - thinking without boxes - Janek Panneitz


Wie ein Kooperationsspiel zum Single Player Spiel wird - das "Alpha Player Syndrom"

Diesen Monat möchte ich kooperative Spiele genauer beleuchten. Das sind Spiele bei denen alle Mitspielenden gemeinsam „gegen das Spiel“ arbeiten oder auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. In den meisten Fällen versucht man auch einfach nur gemeinsam lange genug zu überleben. Einer meiner Favoriten ist die 2008 erschienene Version von "Pandemie" (die Legacy Version wird in einem anderen Monat separat beleuchtet).

In "Pandemie" gibt es verschiedene Krankheiten, die sich über der Welt ausbreiten. Dabei gilt es gemeinsam die Stärken der verschiedenen Rollen, von denen sich alle Mitspielenden eine aussuchen, so einzusetzen, dass rechtzeitig die Gegenmittel entdeckt werden. Ein Spiel, welches häufig auf Messers Schneide steht und auch bis zur letzten Karte spannend bleibt. Für Profis gibt es mit der Weile auch genug Erweiterungen für mehr Komplexität und variable Schwierigkeitsgrade.

Bei diesem und bei anderen kooperativen Spielen taucht immer wieder ein Phänomen auf, welches in der Spielszene als „Alpha Player Syndrom“ bekannt ist (oder auch Alpha Tierchen Syndrom, wie ich vor kurzem erfahren habe).

Es gibt dafür keine feststehende Definition, aber allgemein beschreibt es den Umstand, dass eine Person die Initiative ergreift und aus potentiell gut gemeinten Ratschlägen schnell ein bewusst und/oder unbewusst dominantes Verhalten entwickelt, welches alle anderen Mitspielenden in eine Passivität drängen kann. („Nein, das geht nicht laut Regeln, aber wenn du hier ein Forschungszentrum baust, kann Inge dort ein Heilmittel erfinden.“) Vielfach passiert das genau der Person, die das Spiel schon mehrmals gespielt hat und die Spielmechaniken sowie das (oft umfangreiche) Regelwerk in- und auswendig kennt. Die Folge ist häufig, dass alle anderen am Tisch sich immer weniger einbringen und das Interesse am Spiel verlieren.

Hier eine kleine (nicht vollumfängliche) Checkliste, ob die Spielrunde sich das "Alpha Spieler Syndrom" eingefangen hat:

🎲 Eine Person fängt an die Figuren der anderen Mitspielenden zu bewegen.

🎲 Personen sind nur noch am Ausführen beteiligt und Entscheidungen werden nicht mehr hinterfragt oder diskutiert

🎲 Es werden keine eigenen Ideen mehr eingebracht („Sag du doch, was ich machen soll!“).

🎲 Eine Person hat das alleinige Recht auf ein Veto der Vorschläge der anderen.

🎲 Personen stehen mitten im Spiel auf und sagen Dinge wie „Spielt ruhig ohne mich weiter ich geh' nochmal telefonieren/in die Küche/usw.“.

🎲 …

Was hat das mit Organisationen zu tun?

Eine Person, die über gute Fachkenntnisse verfügt, übernimmt die Initiative in einem (ursprünglich) fähigen Team. Ein starker Fokus auf das Erreichen der Ziele, Mikromanagement und fehlender Akzeptanz alternativer Lösungen sorgen für sinkende Motivation des Teams sich einzubringen und mitzudenken. Der Teufelskreis von Übernahme der Entscheidung durch Einzelpersonen und gleichzeitig steigendes Disengagement beim Team setzt sich fort…bis die ersten das Team verlassen.

Kommt euch dieses oder ein ähnliches Szenario bekannt vor? Vielleicht hat jemand das schon im Spiel oder in Organisationen miterlebt?

Wie lässt sich das "Alpha Player Syndrom" vermeiden?

Da das Problem in der Spielewelt nicht neu ist, gibt es viele Mechanismen, welche die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des „Alpha Player Syndroms“ geringhalten. Hier einige Beispiele:

  • Bei dem oben genannten „Pandemie“ führen viele Wege, zum Sieg und es sind oft schwere und uneindeutige Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Es gibt somit oft nicht die eine klar bessere Lösung.
  • Im Spiel „The Crew“ oder auch „The Mind“ ist die Verantwortung auf alle Mitspielenden verteilt, da jeder nur seine Karten sieht und dadurch nicht eine Person alle Informationen bei sich bündeln kann.
  • In „Space Alert“ ist das Zeitfenster zu knapp, um alles durchzusprechen und die optimale Lösung nach einer ausführlichen Analyse zu erarbeiten.
  • Bei „Spirit Island“ wächst die Komplexität bei steigender Spielerzahl so stark an, dass das Durchdenken aller Möglichkeiten sich ewig ziehen würde. Das Übertragen von Verantwortungsbereichen bei abgestimmten übergeordneten Zielen ist hier notwendig.

Und was können wir daraus lernen?

Was ich daran besonders interessant finde ist, dass in der Spielwelt genau solche Mechanismen zusätzlich installiert werden, die, in meiner Wahrnehmung, in der Arbeitswelt als große Herausforderung gesehen werden. Die oben genannten Mechanismen könnten sich auch so lesen:

  • Es gibt eine unklare Zielspezifikation zu Beginn mit der Notwendigkeit einer flexiblen Strategieanpassung.
  • Ein rasanter Zuwachs an Daten sorgt dafür, dass einzelne Stakeholder nicht mehr den Überblick über alle Prozesse behalten.
  • Die Anforderung wächst, bei extrem kurzen Deadlines immer schneller Ergebnisse zu liefern.
  • Es gibt eine wachsende Komplexität und die Expertenrollen verlagern sich weg von zentralen Führungsrollen.

Meine Hypothese ist, dass „Alpha Player“ in Organisationen schon allein auf Grund der Veränderung der Rahmenbedingungen in der aktuellen und zukünftigen Arbeitswelt nicht länger erfolgreich sein werden. …keine Sorge, ich weiß, dass das keine neue Erkenntnis ist! Typische Buzzwordes wie VUCA oder BANI beschreiben diese veränderten Rahmenbedingungen schon seit Jahren und die (vermeintlich einfache) Antwort darauf findet sich in Konzepten wie Arbeit 4.0, New Work und Agilität.

Das für mich spannende daran ist, dass all diese Herausforderungen aber ABSICHTLICH in Spiele integriert werden, um mehr Spielspaß zu erreichen und ein Erlebnis zu schaffen, bei dem alle Beteiligten involviert sind. Ich glaube, dass viel Potential darin liegt, wenn Organisationen diese Herausforderungen nicht als Bedrohung für die bestehenden Strukturen sehen, sondern als Möglichkeit (und Notwendigkeit) eine neue Haltung und ein neues Führungsverständnis zu etablieren.

Es stimmt mich daher optimistisch zu sehen und zu erleben, dass genau diese neuen Rahmenbedingungen keine unüberwindbaren Hindernisse sind. Es zeigt sich zumindest in unzähligen kleinen Simulationen am abendlichen Spieletisch, dass es möglich ist nicht nur trotz dieser neuen Herausforderungen, sondern gerade wegen und mit diesen Herausforderungen gemeinsam und kooperativ erfolgreich zu sein. (So, und wenn Inge jetzt aber das Forschungszentrum doch hier bauen würde, dann müsstest du nur noch…)


Vielen Dank für die positive Resonanz auf diese Reihe. Ich freue mich auf den Austausch mit euch und euer Feedback. Ich wünsche euch viele schöne Spielerunden (bald wieder in Präsenz) und immer eine Karte mehr auf der Hand als allen anderen! 😉


Nächstes Mal werfen wir einen Blick auf unsere Lieblinge...und wann es Zeit ist, sie über die Planke gehen zu lassen.

It’s a world of (s)laughter after all!“ 😉

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